Pressebericht zur Aufführung in Letmathe

Beeindruckendes „Gottesspiel“

Musical von Wilfried Röhrig regte in der Aula des Gymnasiums zum Nachdenken an

Hartmut Becker

Letmathe. Das Bild ist weltberühmt: „Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo mit dem Fragment, auf dem Gott mit ausgestrecktem Zeigefinger Adam zum Leben erweckt, bildete am Sonntag den Bühnen-hintergrund des Musicals „Gottes-spiel“ von Wilfried Röhrig, zu dem der Pfarrverbund Letmathe in die Aula des Gymnasiums eingeladen hatte. Beim Betrachten des Bildes stellt sich die Frage, ob Gott durch die Schöpfung des Menschen stets Einfluss auf unser Leben nimmt, uns einengt, unser Handeln bestimmt oder ob der Mensch frei von „göttlichen Zwängen“ leben kann.
Diese Fragen stellen sich auch Thomas und Eva Ludens, hervorragend dargestellt von Mathias Gall und Charlotte Wallraven. Bei einem Spieleabend verraten sie ihren Freunden, dass Eva schwanger ist. „Für uns ist es ein kleines Wunder, ein Gottesgeschenk“, sagt Eva. „Ja, ein Geschenk des Himmels“, ergänzt Thomas. Diese Meinung trifft nicht bei allen auf Zustimmung. Es beginnt eine Diskussion darüber, ob Gott da wirklich seine Hände im Spiel hat. Besonders Niklas (David van Eck) hat da so seine Zweifel, auch wenn er sich freut, dass die bei-den Nachwuchs erwarten. In seinem eigenen Leben hat Gott keinen Platz. Für den fehlenden Draht zu Gott, dafür, dass er für Niklas und auch für viele andere nicht „system-relevant“ ist, bedauert ihn Eva.

Zweifel an Gottes Willen versus weiterhin Vertrauen auf Gott
Für Leo und Nina Kerner (Frank und Jutta Breitenbach) ist Gott gar „der Feind unserer Freiheit“. Und das bereits seit dem Tag der Geburt, denn er habe schließlich einen Plan für jedes Leben, den er oder sie zu erfüllen habe. Für Eva spricht Gott hingegen durch Ereignisse und durch die Stimme des Herzens. Diese Thesen und Antithesen verpackt Wilfried Röhrig in Musik, es sind Lieder, die zum Nachdenken anregen. Szenenwechsel: Thomas wird Leiter einer neuen Filiale, die 200 Kilometer entfernt ist. Also Wochenend-Ehe. Nur samstags und sanntags kann er Frau und Kind sehen. Ist das auch Gottes Wille?
Es kommt aber keine laute Stimme aus dem Himmel: „Eva und Thomas tut dieses oder tut jenes.“ „Hochachtungsvoll Gott“, ergänzt Thomas satirisch. Eva verlässt sich hingegen immer noch ganz auf den Herrn: „Wir werden sehen, was Gott von uns will, was für uns und unser Kind gut ist.“
Ihr Freund Leo leidet derweil an akuter myeloischer Leukämie. Das stürzt Thomas in eine tiefe Krise. Er organisiert im Pfarrgemeinderat eine Typisierungsaktion, aktiviert die lokale Presse, sucht nach Sponsoren, alles unter dem Motto: „Wir retten Leo.“ Alle sind begeistert, bis auf Herrn Schwarz (Istvan Bechtold). Er weiß nicht, was er als Christ von der Aktion halten soll. Für ihn müsste es „Wir beten für Leo“ heißen, denn das Wunder der Heilung könne doch nur Gott bewirken. Letztlich sei doch alles die Gnade Gottes. Thomas und Eva sind hin-und hergerissen und voller Fragen. „Warum kann man nicht zu Gott sagen: ,Mach, dass es keine Kriege mehr gibt, mach, dass Behinderte würdig behandelt werden.“‚ Ist Gott etwa ein Zauberer, ein Alles-Könner?

Die „Gottesspiel“-Darstellerinnen und Darsteller und die Tänzerinnen in der Aula des Gymnasiums regten mit der Aufführung des Musicals von Wilfried Röhrig viele zum Nachdenken an.

Tod und Beerdigung eines Freundes werfen Fragen auf
Obwohl ein Knochenmarkspender gefunden wird und die OP gut verläuft, stirbt Leo. Und wieder ist da die Gottesfrage: Warum lässt er zu, dass eine Frau und Kinder keinen Ehemann und Vater mehr haben? Nach Leos Beerdigung treffen sich Thomas und Eva mit den Eltern bzw. Schwiegereltern Jutta Müller und Detlev Ernstes), beides recht konservative Katholiken. Für sie war die Beisetzung dem Anlass nicht angemessen genug. Moderne Musik, nur ein Laienprediger, kein Orgelspiel und keine Lieder aus dem Gesangbuch. Trotz ehrlicher und ergreifender Ansprachen fehlte die erhabene und würdevolle kirchliche Trauerfeier. Und überhaupt: Warum muss alles geändert wer-den? Synodaler Prozess, Maria 2.0, Ende des Zölibates, Frauen auf die Kanzel, Laien sollen mitreden und mitentscheiden, Gemeinden wer-den zusammengelegt, nur zweimal im Monat Gottesdienst-die Kirche ist eine einzige Baustelle. Für sie ein unhaltbarer Zustand.
Eva sieht das anders. „Da müsste mal kräftig abgestaubt werden, da müsste mal Leben rein, eine Sprache, Lieder und Musik von heute. Die Kirche, in der ihr groß geworden seid, ist am Verschwinden, es hilft nicht, an allem Alten krampf-haft festzuhalten.“ Wahrend die Darsteller Szenenapplaus erhielten, die Tänzerinnen für ihre Choreographie viel Beifall bekamen nach Evas Forderung, die Kirche müsse sich erneuern, blieb es in der Aula erstaunlich still. Entweder dachten alle darüber nach oder niemand traute sich, der Forderung mit Applaus Nachdruck zu verleihen.

Glaubensgrundsätze werden auf den Prüfstand gestellt
Leos Tod, die Geburt des Kindes, all das hat Thomas ziemlich mitgenommen. Er und Eva suchen Rat bei einer Therapeutin. Er beklagt sich bei ihr über den Druck, dem er ausgesetzt ist, den er sich aber letztlich selbst macht. Es ist nun Zeit, die alten Lebensregeln, die „Glaubens-grundsätze“, auf den Prüfstand zu stellen. „Wir sind alle in der Gefahr, uns Gott nach unseren Vorstellungen zurechtzulegen. Gott ist jedoch größer als alle unsere Vorstellungen.“ Es hat berühmte Menschen gegeben, die Gott nicht gespürt haben, wie Therese von Lisieux oder Mutter Teresa. Doch irgendwann haben sie ihre ganz eigene Gottes-erfahrung gemacht, fühlten sich durch ihn gehalten und geborgen. Nach rund zweieinhalb Stunden und lang anhaltendem Beifall für alle Mitwirkenden war es zahlreichen Zuhörern anzumerken, wie sehr sie das Musical, das sich auch gut als Vorbereitung für die Firmung oder Konfirmation eignet, zum Nach-denken angeregt hat. Seelsorgerin Schwester Berngit, die Wilfried Röhrig und sein Ensemble nach Letmathe geholt hatte, fasst es so zusammen: „,Gottesspiel‘ ist genau das, was jeder Mensch von heute kennt, mit dem alle Glaubenden umgehen müssen. Das Musical spiegelt Lebenserfahrungen von uns allen.“

IKZ Iserlohner Kreisanzeiger 16. November 2022

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